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Arbeitsblatt: Gruppe 1 - Akteure und Ereignisse

Anleitung

Lesen Sie den Artikel aus „The Springfield Union” (Massachusetts, U.S.A) vom 2. Juni 1939. Versuchen Sie, anhand des Artikels und der ergänzenden Hintergrundinformationen eine kurze Präsentation zu den Hauptakteuren bei der Irrfahrt der St. Louis und zum Ablauf der Ergebnisse zu erstellen.

Transkript - The Springfield Union zur St. Louis, 2.6.1939

Drohung: Kanonenboote werden Tragödienschiff voll Juden aus kubanischen Gewässern schleppen

Präsident Laredo Brú fordert Linienschiffe mit 917 deutschen Flüchtlingen zur Heimreise auf – „Selbstmordpakt“ befürchtet

HAVANNA, Kuba, 1. Juni (AP) – Einem Tragödienschiff mit 917 deutsch-jüdischen Flüchtlingen droht heute Abend die Rückkehr in das Land, aus dem sie geflohen sind. Präsident Federico Laredo Brú verband einen Befehl zum Auslaufen des Schiffes mit der Drohung, wenn nötig Kanonenboote einzusetzen, um es aus kubanischen Gewässern zu schleppen.

Die Anweisung des Präsidenten erging an einem Tag voll Ungewissheit. Der Kapitän des deutschen Linienschiffes St. Louis äußerte die Furcht vor einem „Pakt zum kollektiven Selbstmord“ unter seinen Flüchtlingspassagieren. Am heutigen Tag hatte er sich vergeblich darum bemüht, die Regierung zur Aufhebung ihres Anlegeverbots zu bewegen.

Der Präsident hatte die St. Louis angewiesen, „binnen dieses Tages“ auszulaufen. Marines standen bereit, um seinen Auftrag auszuführen. Trotzdem ging man davon aus, dass dem Linienschiff eine Nachfrist gewährt wird, bis es wieder Kraftstoff und Proviant für die Rückfahrt nach Deutschland an Bord nehmen konnte.

Das kubanische Finanzministerium hatte Anweisung, den Befehl von Laredo Brú umzusetzen. Es hieß, man habe Luis Clasing, Agent der Hamburg-Amerika-Linie, bis 6 Uhr des morgigen Tages gegeben, um das Schiff aus dem Hafen zu bekommen.

In Hafenkreisen hielt man es allerdings für wahrscheinlich, dass Gustav Schröder, Kapitän der St. Louis, versuchen würde, Vorräte an Bord zu nehmen und in den frühen Morgenstunden abzulegen, wenn seine Passagiere schlafen.

In Verzweiflung geraten

Als Hintergrund für diese Maßnahme galt die Befürchtung, die Flüchtlinge – darunter 500 Frauen und 150 Kinder – könnten in Verzweiflung geraten und versuchen, über Bord zu springen.

Die Hafenpolizei hielt mehrere Boote bereit, um das Schiff aus dem Hafen zu geleiten. Sie würde auch alle Personen aufsammeln, die möglicherweise versuchen, ihr Leben auf diese Weise zu beenden, statt in ihre frühere Heimat zurückzukehren.

Kubanische Wachposten, die die Passagiere genau im Auge behalten, berichteten heute Nachmittag bei einem Schichtwechsel, dass die Lage verzweifelt sei. Mütter und Kinder weinten unaufhörlich und die Aufrufe zu den Mahlzeiten blieben praktisch ohne Reaktion.

Präsident Laredo Brú wies kategorisch Washingtoner Berichte zurück, wonach US-amerikanische Vertreter jüdischer Organisationen mit Kuba eine Einigung über eine Teillösung des Flüchtlingsproblems erzielt hätten.

Laut privater Depeschen, die aus Havanna in Washington eintrafen, würde die kubanische Regierung allen Flüchtlingen gestatten, an Land zu gehen, die über gültige Papiere verfügen, und deren Verwandte oder Freunde entweder in Kuba oder in den Vereinigten Staaten eine Kaution in Höhe von 500 Dollar pro Person leisten.

Laredo Brú, der heute Abend über diese Berichte informiert wurde, erklärte: „Das ist unwahr. Zutreffend ist nur, dass das Schiff Kuba so schnell wie möglich verlassen muss.“

Das Schiff, das am vergangenen Samstag eingetroffen war, sollte am Nachmittag die Rückfahrt nach Deutschland antreten. In der Hoffnung, die Regierung würde ihren Befehl, den Flüchtlingen die Einreise nach Kuba zu verweigern, rückgängig machen, kündigte Kapitän Gustav Schröder jedoch eine Verschiebung der Fahrt an.

Massenselbstmorde befürchtet

Kapitän Schröder hat die Regierung gebeten, ihre Maßnahme zu überdenken. Er befürchtet einen „Pakt zum kollektiven Selbstmord“ oder womöglich eine „Meuterei“ unter seinen Passagieren, wenn diese schließlich erfahren, dass sie nach Deutschland zurückkehren müssen.

Polizeikräfte in Barkassen und an Bord behielten die Passagiere im Auge, unter denen 500 Frauen und 150 Kinder sind. Sie sagten, dass die Frauen und Kinder beständig weinen, und dass die Aufrufe zu den Mahlzeiten größtenteils unbeantwortet bleiben.

Die Hafenpolizei hatte mehrere Boote in Bereitschaft, um die St. Louis aus dem Hafen zu eskortieren und jeden Passagier aufzufischen, der über Bord springen könnte.

Schröders Befürchtung von Massenselbstmorden entstand, als sich ein Passagier gestern die Pulsadern aufschnitt und von Bord sprang. Der Mann wurde allerdings gerettet.

Die Anordnung des Präsidenten zum Auslaufen ist „binnen dieses Tages zu befolgen“. Andernfalls sieht der Erlass vor, dass „der mit den entsprechenden Befugnissen ausgestattete Finanzminister die Unterstützung durch die bezeichneten Marinekräfte anfordert und das Schiff St. Louis mit all seinen Passagieren aus den Hoheitsgewässern dieses Landes hinausbefördert“.

Der Präsident ordnete ferner an, dass alle möglicherweise illegal nach Kuba eingereisten Besatzungsmitglieder an Bord genommen werden. Außerdem soll eine offizielle Untersuchung der gesamten Angelegenheit eingeleitet werden.

Die Anordnung der Regierung wurde Clasing um 16 Uhr übergeben. Er bat um Zeit, um das Schiff wieder zu betanken und Proviant und Wasser zu laden, weil das Linienschiff seiner Erklärung nach nicht über ausreichende Vorräte für die Reise verfügte.

Den Flüchtlingen wurde die Erlaubnis zum Betreten des Landes verweigert, wenn sie keine Visa kubanischer Konsulate, Pässe und Genehmigungen des kubanischen Arbeitsministeriums vorweisen konnten. Sie besaßen nur provisorische Genehmigungen der Einwanderungsbehörde, um als Passagiere auf dem Weg in die Vereinigten Staaten einzureisen, wo sie hofften, schließlich aufgenommen zu werden.

Hilfe für einige Flüchtlinge durch U.S.-amerikanische Gruppen möglich

WASHINGTON, 1. Juni (AP) – Laut privaten Depeschen aus Havanna vom heutigen Abend haben US-amerikanische Vertreter jüdischer Hilfsorganisationen in New York eine Einigung mit Kuba für eine Teillösung des Problems der 917 deutsch-jüdischen Flüchtlinge erreicht. Diese befinden sich derzeit im Hafen von Havanna an Bord des Linienschiffs St. Louis und können nicht an Land gehen.

Man geht davon aus, dass die kubanische Regierung alle Flüchtlinge an Land gehen lässt, die über gültige Landungspapiere verfügen, und deren Verwandte oder Freunde entweder in Kuba oder in den Vereinigten Staaten eine Kaution in Höhe von 500 Dollar pro Person leisten. Die Kaution wird erstattet, wenn die Flüchtlinge Kuba verlassen.

Laut den Depeschen haben sich praktisch alle Flüchtlinge, bevor sie das Reich verließen, für das Einwanderungskontingent registrieren lassen, um in die Vereinigten Staaten einzureisen. Ihr Aufenthalt in Kuba wird zeitlich befristet sein, da sie lediglich darauf warten, im Rahmen des Kontingents in die Vereinigten Staaten zu gelangen.

Neben den 917 sind mehrere Tausend weitere deutsche Flüchtlinge in Kuba versammelt. Die meisten von ihnen haben sich in die Kontingentliste eintragen lassen.

Wie alle anderen, müssen sie abwarten, bis sie an der Reihe sind, um in die Vereinigten Staaten einzureisen. Diejenigen, deren Namen ganz oben auf der Liste stehen, erhalten die Erlaubnis zuerst.

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