HomeModul St. LouisPhase 2: KleingruppenAB - Hintergrund

Arbeitsblatt - Hintergrund zur St. Louis

Bevor die Nationalsozialisten an die Macht kamen, lebten in Deutschland 500.000 Juden. Sie waren sozial und politisch gleichgestellt und sahen sich selbst als integraler Bestandteil der deutschen Gesellschaft. Ab den 1930er Jahren veränderten die Politiken der Nazis, die sich gegen Juden richteten, deren Lage von Grund auf. Viele von ihnen wollten nun Deutschland verlassen. Die steigende Zahl jüdischer Flüchtlinge aus Deutschland und die Weigerung verschiedener Staaten, ihre Einwanderungsquoten zu ändern und die Flüchtlinge aufzunehmen, führten gemeinsam zu einer humanitären Krise. Es entstand das Gefühl, dass „es für die gesamte Welt keine Einreiseerlaubnis [gab]“ (wie es Benno Cohen bei seiner Aussage im Eichmann-Prozess beschrieb).

Die Irrfahrt der St. Louis

Die Irrfahrt der St. Louis war ein tragisches Ereignis, das die Lage der jüdischen Flüchtlinge in den 1930er Jahren widerspiegelte.

Am 13. Mai 1939 legte die St. Louis mit 936 jüdischen Flüchtlingen an Bord im Hamburger Hafen ab. Als sie ihr Ziel, Kuba, erreichte, zeigte sich, dass die Visa von 930 Passagieren ungültig waren. Der kubanische Präsident Federico Laredo Brú erklärte, die Flüchtlinge würden weder politisches Asyl noch die Erlaubnis erhalten, das Schiff zu verlassen. Einer der Passagier unternahm einen Selbstmordversuch, und einige andere drohten an, das auch zu tun.

Die US-amerikanisch-jüdische Hilfsorganisation „The Joint“ entsandte einen Vertreter nach Havanna, um über Einreisegenehmigungen für die Passagiere nach Kuba zu verhandeln. Zu diesem Zeitpunkt erklärten die Vereinigten Staaten (auf direkte Anweisung von Präsident Roosevelt), dass auch sie sich weigern würden, diese Flüchtlinge aufzunehmen. Am 5. Juni wurde eine Übereinkunft erzielt: Den Flüchtlingen wurde die Einreise nach Kuba im Austausch für Bürgschaften in Höhe von 453.000 Dollar (etwa 500 Dollar für jeden Flüchtling) gestattet. Die Bürgschaften sollten am Folgetag hinterlegt werden. „The Joint“ gelang es jedoch nicht, das Geld zu beschaffen. Am 6. Juni musste das Schiff nach Europa zurückkehren.

Einen Monat später erreichte das Schiff den in Belgien gelegenen Hafen Antwerpen. Die belgische Regierung war bereit 214 Passagiere aufzunehmen. Weitere 288 Passagiere gelangten nach Großbritannien, 181 in die Niederlande und 244 andere setzten die Reise nach Frankreich fort. „The Joint“ bat die Jewish Agency (Vertretung der Juden im Völkerbundsmandat für Palästina), diesen Flüchtlingen Einwanderungszertifikate auszustellen (welche die Jewish Agency von den Mandatsbehörden erhielt). Die Jewish Agency lehnte dies jedoch ab.

Die Flüchtlinge, die in Großbritannien Unterschlupf fanden, überlebten. Viele der übrigen 620 Flüchtlinge, die in den Niederlanden, Frankreich und Belgien unterkamen, wurden im Holocaust umgebracht, nachdem Nazi-Deutschland diese Staaten besetzt hatte.

Im Jahr 1993 verlieh Yad Vashem an Gustav Schröder, Kapitän der St. Louis, den Ehrentitel „Gerechter unter den Völkern“.

Kontext

Dass die St. Louis kein isolierte Einzelfall war, sondern ein spezieller Fall unter vielen, beschreibt folgende zeitgenössische Übersicht zu Schiffen mit Flüchtlingen aus Deutschland.

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